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Präsentation Zwischenergebnisse der Machbarkeitsstudie Nahwärmeversorgung

Präsentation Zwischenergebnisse der Machbarkeitsstudie Nahwärmeversorgung

Bericht und Nachlese zur Veranstaltung am 27.02.2024

Der Gemeindesaal von St. Willibald war wieder einmal rappelvoll, als die Zwischenergebnisse der „Machbarkeitsstudie Nahwärmeversorgung“ für unser Österreicherviertel vorgestellt wurden. In unserem Beitrag wollen wir einen kurzen Ergebnisbericht aus unserer Sicht als Verein Initiative Österreicherviertel geben, die ausführliche Dokumentation mit den Folien des Vortrags gibt es auf der Website des RKU zum Download – oder alternativ hier bei uns: Folien Eniano 27.02.24

Nach der Begrüßung gab es zunächst vom Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) ein paar allgemeine Informationen zum Projekt und zur Wärmewende. So ist damit zu rechnen, dass der Wärmeplan für die Gesamtstadt ab Mitte April dem Fachausschuss und dem Plenum des Stadtrates vorgestellt wird. Im Anschluss sollen die Bürger zur endgültigen Planung befragt und einbezogen werden, bevor der Wärmeplan dann gegen Ende des Jahres 2024 verabschiedet wird – so der grobe Zeitrahmen. Welche konkreten Rahmenbedingungen daraus für das Österreicherviertel resultieren werden, blieb unklar. Andererseits dient ja die Machbarkeitsstudie dazu, die möglichen Handlungsoptionen zielgenau für die Bedingungen im Quartier zu ermitteln.

Im ersten Hauptteil des Abends wurden die planerischen Ansätze dafür von Sabine Hillbrand und Tobias Eder von Eniano, der beauftragten Ingenieurgesellschaft, vorgestellt, bevor im zweiten Teil ein sehr spannendes und ganz aktuelles Projekt zur kalten Nahwärme in einer bestehenden Reihenhauszeile in Pasing eindrücklich präsentiert wurde. Dazu später mehr.

Zwischenergebnisse von Eniano

Nach der Analyse der baustrukturellen, hydrogeologischen und technischen Bedingungen im Viertel hat Eniano vier mögliche technische Ansätze für die Nahwärmeversorgung identifiziert und hinsichtlich ihrer technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit näher untersucht und bewertet. Um eine gewisse Tiefenschärfe der Betrachtung zu erreichen, wurde das Viertel in 5 Zonen eingeteilt, innerhalb derer relativ homogene Bedingungen vorzufinden sind.

Das Fazit von Eniano gleich vorneweg:

  • Fernwärme scheidet aus;
  • die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit einer großen Netzlösung für kalte Nahwärme erscheint fraglich;
  • kleinere dezentrale Nahwärmenetze sind aber gut vorstellbar, insbesondere wenn sie mit der energetischen Sanierung der Häuser verknüpft werden.

Die Optionen im Einzelnen:

1. Anschluss an das Fernwärmenetz der SWM

Die Kleinteiligkeit des Viertels und die überwiegend kleinen Wohneinheiten (WE) erfordern lange Leitungswege bei zugleich geringer Wärmeabnahme pro WE. Die Wirtschaftlichkeitsschwelle wird nur knapp erreicht, teils unterschritten. Nur für wenige Bereiche in Randlagen erscheint ein Anschluss vorstellbar, z.B. für die Häuserzeile zwischen Veldener und Landsberger Straße. Letztlich machte der Vertreter der SWM ziemlich deutlich klar, dass die SWM kein Interesse an einer Versorgung des Österreicherviertels haben, es also für die Fernwärme ein weißer Fleck im Stadtplan bleiben wird. Wer also darauf gehofft hatte, über die SWM eine dauerhafte Versorgung zu erhalten, um die man sich nicht weiter zu kümmern bräuchte, wusste spätestens jetzt Bescheid, dass das eine Illusion ist.

2. Zentrales kaltes Nahwärmenetz für das ganze Quartier

Die hydrogeologische Situation im Viertel ist nicht überall gleich. Westlich der Schladminger Straße ist sie günstiger als ostwärts davon. Insgesamt ist das Grundwasservorkommen nicht sehr mächtig und erscheint deshalb für die Wärmeversorgung des ganzen Quartiers über zentrale Brunnenanlagen als nicht ausreichend. Eniano kommt zu dem Schluss, dass weniger als 50% der benötigten Wärmeleistung so gewonnen werden können. Helfen würde allerdings eine energetische Sanierung der Häuser, um den individuellen Wärmebedarf zu reduzieren.

3. Dezentrale kalte Nahwärmenetze

Untersucht man die 5 Zonen genauer, bis hinunter zu den einzelnen Häuserzeilen, wandelt sich das Bild. Insbesondere für die westliche Hälfte des Viertels sind dann die Voraussetzungen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung aus dem Grundwasser günstig bis sehr günstig, in der östlichen Hälfte bleibt es schwieriger. Nun fällt jedoch ein zentraler Betreiber der Wärmeversorgung aus und es müssen sich die Nachbarn einzelner oder mehrerer Häuserzeilen zusammenschließen, um ein kleines Nahwärmenetz zu bauen und zu betreiben. Technisch ist das eine sinnvolle und auch bewährte Lösung, wie das Projektbeispiel noch zeigen wird, es bleiben aber viele offene Fragen vor allem rechtlicher Art. Selbst die Fachleute von Eniano müssen einräumen, dass das Österreicherviertel „sehr kompliziert“ sei, wegen seiner besonderen Struktur. Dennoch könnte dieser Pfad, entschlossene Bürger vorausgesetzt, am schnellsten zu Erfolgen führen, zumindest in einzelnen (Pilot-)Projekten.

4. Dezentrale Wärmeversorgung mit Eisspeicher

Eisspeicher sind derzeit in aller Munde als besonders leistungsfähige und zugleich einfache Technik zur Wärmespeicherung. Sie „bunkern“ die im Sommer mittels Solarthermie/PVT erzeugte Überschusswärme für den Winter und geben sie dann ab. Das geht individuell hausweise, wenn man den Platz für ein solches unterirdisches Bauwerk hat, oder auch im großen Maßstab für ganze Siedlungen. Eine kleine Fallstudie für eine Häuserzeile in der Atterseestraße hat die Möglichkeiten und Beschränkungen der Technik im Österreicherviertel aufgezeigt. Eniano war so zu verstehen, dass sie den vergleichsweise hohen technischen Aufwand wirtschaftlich anzweifeln, unter den konkreten Bedingungen im Quartier. Für Einzelfälle oder in Kombination mit Maßnahmen von 3. könnte es aber eine Option sein.

Wie geht es weiter?

Im nun folgenden Arbeitsschritt soll wieder im ganzen Viertel eine Abfrage unter den Bewohnern über das Interesse an einer solchen dezentralen Lösung gemacht werden. So können Bereiche oder Häuserzeilen identifiziert werden, die genauer untersucht werden oder wo vielleicht sogar ein solches Nahwärmenetz konkret angestoßen werden kann, auf der Grundlage von technischen und wirtschaftlichen Berechnungen, die Eniano dann zur Verfügung stellen kann. Bis zum Herbst sollen die Endergebnisse der Studie dann erarbeitet sein.

Projektbeispiel Blumenauer Straße

Wie die Umsetzung eines kalten Nahwärmenetz für eine Hausgruppe aussehen kann, wurde dann im zweiten Hauptteil eindrücklich geschildert von den Vertretern des Projekts in der Blumenauer Straße. Einerseits der Bewohner und Hauptinitiator Nikolaus Plesnila, andererseits ein Vertreter der verbauten Technik, Andreas Wimmer von alpha innotec. Das Auditorium folgte gespannt dem lebendigen und inspirierenden Vortrag.

Anfang 2022 ist man dort relativ unbedarft ins kalte Wasser gesprungen, zu Weihnachten 2023 konnte die Wärmeversorgung für 15 Häuser in Betrieb gehen, derzeit laufen die letzten Umfeldarbeiten. Die baulichen Voraussetzungen waren insofern günstig, als alle notwendigen außerhäuslichen Installationen (Brunnen, Wärmetauscher, Soleleitungen) auf privatem bzw. Gemeinschaftsgrund der Eigentümergemeinschaft errichtet werden konnten. Das planerische Vorgehen war zunächst etwas handgestrickt, was dann im Verlauf auch zu nicht erwarteten Mehrkosten führte, letztlich war das Projekt aber in jeder Hinsicht erfolgreich und in der Gruppe finanziell gut zu stemmen. Ab einer Größenordnung von 10-12 Teilnehmern ist mit einer günstigen Kostenverteilung zu rechnen.

Herr Plesnila hatte zwei wichtige Botschaften: Erstens hat das gemeinsame Projekt die Nachbarschaft sehr gestärkt und die Menschen viel enger zusammengebracht. Zweitens rät er dringend zu einer professionellen planerischen Begleitung, um die notwendigen Schritte von der Konzeption bis zur Inbetriebnahme in der richtigen Reihenfolge durchzuführen und mit einer fundierten Kostenplanung zu begleiten. Am Anfang aber steht der Mut, so etwas überhaupt anzugehen.

Schlussbetrachtung und Zielsetzung

Was heißt das alles nun für uns im Österreicherviertel und auch für die weitere Arbeit im Verein? Die abschließende kurze Fragerunde war insofern etwas ernüchternd, als die meisten Fragen sich wieder nur um die Machbarkeit einer ganz kleinen und privaten Lösung, möglichst einer außen aufgestellten Luft-Wasser-Wärmepumpe drehte. Dankenswerterweise wurde aus dem Publikum darauf hingewiesen, dass das für die meisten Häuser im Quartier wohl nicht in Frage kommt, wenn man nicht dauerhaften Nachbarschaftsstreit wegen Lärmbelästigung auslösen möchte. Solange es die absolut leise Wärmepumpe nicht gibt, besteht die Gefahr, dass die Technik die Menschen eher auseinander treibt als zusammenbringt. Und es geht doch um das Miteinander im Viertel, uns jedenfalls.

An dieser vermittelnden Stelle möchten wir uns als Verein einbringen in der weiteren Ausarbeitung der Machbarkeitsstudie: wie will die Stadt es uns ermöglichen, eine gemeinschaftliche Wärmelösung im kleinen oder größeren Maßstab zu organisieren, nachdem der städtische Versorger SWM sich aus der flächigen Versorgung zurückzieht?

Die privaten Grundstücke werden wegen ihrer Kleinheit und teils ungünstigen Verteilung für den Aufbau dezentraler Nahwärmenetze nicht ausreichen. Wird die Stadt uns Leitungsrechte im öffentlichen (Straßen-)Raum einräumen? Die Stadt hat die Baustruktur des Quartiers aus einer Zeit der unproblematischen fossilen Energieversorgung zu verantworten. Sie sollte uns, wenn sie selbst keine zentrale Versorgung mehr anbieten möchte, darin unterstützen, dass die organisierte Bürgerschaft (Genossenschaften, GbR o.ä.) als Versorgungsträger im Quartier aktiv werden kann und entsprechende Leitungsrechte eingeräumt bekommt. Die Wärmewende erfordert ein großzügiges Umdenken.

Und sollten wir den Pfad zu einer quartierweiten, zentralen Wärmeversorgung, auch wenn sie derzeit nicht wahrscheinlich erscheint, nicht aus den Augen verlieren? In der unmittelbaren Nachbarschaft beim Westbad könnte einmal ein Tiefengeothermiekraftwerk entstehen – so sieht es jedenfalls der Stadtentwicklungsplan 2040 vor, dort sollen Erkundungen stattfinden. Aktuell startet die Stadt ein Projekt zur großflächigen Untergrunduntersuchung (Forschungsvorhaben GIGA-M) – Zukunftsmusik vielleicht, aber nachhaltige Stadtplanung denkt in langen Linien und trifft heute die Vorbereitungen für morgen.

Als Verein wollen wir der konstruktive Ansprechpartner in diesem Übergangs- und weiteren Planungsprozess sein. Wir freuen uns schon auf die nächsten konkreten Schritte der Machbarkeitsstudie. (cb)

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